Bericht aus der Zeitschrift Flugzeug Classic 8/2005


Rudolf Kaisers Scheibe/Ka 5 Zugvogel 1

Alter Zugvogel wird
Kulturdenkmal


Der Ka 5 Zugvogel aus den 1950er Jahren wurde zum Kulturdenkmal. Aber was hat Rudolf Kaiser mit dem Scheibe Flugzeugbau zutun? Und wie kommt ein 50 Jahre altes Segelflugzeug in die Liste der technischen Kulturdenkmäler?  VON DIETMARE GEISTMANN.

Die Überschrift ist schon etwas verwirrend: Da ist einmal der Zusammenhang von Rudolf Kaiser zum Scheibe Flugzeugbau. Und wie wird ein zugelassenes und flugfähiges Segelflugzeug zum Kulturdenkmal? Das hört sich doch etwas abenteuerlich an. Doch schön der Reihe nach.

Der berühmte Konstrukteur Rudolf Kaiser (1922 bis 1991) wird mit seinen mehr als 5.000 gefertigten Flugzeugen von der Ka 1 bis zur ASK-23 zu Recht mit dem Alexander Schleicher Segelflugzeugbau in Verbindung gebracht. Rudolf Kaiser bekam offiziell im Jahre 1955 bei Schleicher seine erste Anstellung und ging dort Ende 1985 mit 63 Jahren in den Ruhestand. Von Mai bis September 1952 jedoch - und noch einmal von Oktober 1955 bis April 1955 - arbeitete Rudolf Kaiser (nach seinen Privatflugzeugen Ka 1 und Ka 3 und ersten Arbeiten an der Ka 2 und der Rhönlerche Ka 4) bei der Firma Scheibe Flugzeugbau in Dachau. Er wirkte dort am B-Spatz mit und konstruierte 1954 den Zugvogel 1, den er in seiner persönlichen Typenliste als Ka 5 führt.

Der Zugvogel 1 ist ein recht berühmtes Flugzeug, obwohl er in nur sieben Exemplaren gebaut wurde, darunter interessanterweise ein Exemplar mit Wölbklappen. Im Jahre 1955 siegte Hanna Reitsch überlegen mit dem Zugvogel 1 (Werk-Nr. 1.001, D-5429, Wettbewerbs-Nr. 12) bei der Deutschen Meisterschaft in Oerlinghausen und nahm 1966 mit der D-1359 (Wettbewerbs-Nr. 49) bei der 6. Segelflug-Weltmeisterschaft in St. Yan in Frankreich teil (8. Platz). Nach den beiden Doppelsitzern HKS-1 (Haase-Kensche-Schmetz) des Jahres 1953 ist der Zugvogel I vor der Ka 6 das erste deutsche Serien-Segelflugzeug mit einem amerikanischen Laminarprofil. Es trägt die Bezeichnung NACA 63-215-616 und hat im Innenflügel eine Dicke von 16 %, während im Querruderbereich die Dicke auf 14% verringert ist. Die Baureihe des Zugvogel reicht mit insgesamt etwa 100 Exemplaren über den Zugvogel II (zwei Exemplare), den Zugvogel III a ,und III b (mit flacherem Rumpf) hin bis zum Zugvogel IV mit 15 m Spannweite. Aus diesem Flugzeug hat sich dann, allerdings mit einem Wortmann-Profil, der erfolgreiche Zugvogel V entwickelt, der aber besser unter der Bezeichnung SF-27 (120 Exemplare) bekannt ist.

Die typische Stahlrohrkonstruktion des Rumpfes weist den Zugvogel I als einen Repräsentanten des Segelflugzeugbaues der 1950er Jahre aus.

Der Zugvogel 1 ist in typischer Scheibe Bauweise hergestellt, mit einem stoffbespannten Stahlrohrrumpf. Das Rumpfvorderteil wurde zum ersten Mal mit einer Kunststoffschale und das Cockpit mit einer schönen geblasenen Haube verkleidet. Das Rumpfboot hat eine Kufe mit einem festen Rad. Bei einigen Exemplaren wurde aber auch ein abwerfbares Zwillingsfahrwerk verwendet. Charakteristisch für den Zugvogel I ist die negative Pfeilung der Flügelvorderkante mit etwa minus fünf Grad, die V-Form beträgt 2,4 Grad. Auch gehen die Querruder im Gegensatz zu den anderen Zugvögeln bis ganz an die Flügelspitze. Eine weitere Besonderheit ist der Flügelanschluss. Hier stoßen wie beim Specht die Wurzelrippen der Flügelhälften ohne Schlitzverkleidung stumpf an einander. [)er Hauptbolzen wird senkrecht von oben eingesetzt.

Das einzige heute noch existierende Exemplar ist die Werk-Nr. 1002, Baujahr 1955, mit dem Kennzeichen D-8773. Es gehört seit 1991 Heinz Nierholz aus Bonndorf-Wellendingen im Südschwarzwald und ist auf dem Flugplatz in Blumberg stationiert. Erster Besitzer war eine Eigentümergemeinschaft aus Villingen mit dem Fabrikanten Wilhelm Binder, dem Augenarzt Dr. Zetsche und dem Architekten Helmut Zeidler. Die Originalrechnung vom 7. März 1955 liegt noch vor und benennt einen Preis einschließlich Instrumentierung von 12.000 DM. Ein offener Hänger schlug noch einmal mit 2450 DM zu Buche. In 5O Jahren hat die D-8773 mehr als 1700 Starts mit mehr als 1.600 Stunden geflogen.

Nach dem Vorbild der Minimoa und der Weihe-50 aus Aventoft ganz im Norden der Republik hat im Januar 2005 das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium in Freiburg den Zugvogel I als Meilenstein in der Entwicklung im Segelflugzeugbau in die Liste der technischen Kulturdenkmale aufgenommen.

Der von Rudolf Kaiser als Ka 5 entwickelte Zugvogel wurde beim Scheibe Flugzeugbau produziert.